Dieses Projekt ist eine Zusammenarbeit zwischen den Patient*innen und ihren Familien, den behandelnden Kinderärtz*innen, dem Spitalpersonal von Pflege bis Informatik, den Forschenden und ihrem Personal, die Proben untersuchen, Informatiker*innen, die den höchst-möglichen Datenschutz garantieren und all die Daten in eine gemeinsame Struktur bringen und den Wissenschaftler*innen, die die Daten analysieren. Wir bedanken uns bei allen Kindern und Familien für ihre Teilnahme an Studien und für das Interesse. Bei diesem Projekt setzen sich die jungen Patient*innen und ihre Familien für zukünftige junge Patient*innen und ihre Familien ein.
Auf dieser Seite finden Sie Informationen zum Projekt. Wir freuen uns auf einen aktiven Austausch zwischen allen Involvierten.
Wir sind eine Schweiz-weit tätige Gruppe von Kinderärzt*innen, Wissenschaftler*innen und IT Expert*innen, die zum Ziel haben, die Medikamententherapien für Kinder zu verbessern. Wir wollen Grundlagen dafür schaffen, dass Medikamente für jedes Kind individuell und optimal dosiert werden können. Unser hier vorgestelltes Projekt hat den Namen Swiss Paediatric Clinical and PharmacoKinetics Data Stream (SwissPCPK) und wir arbeiten daran, seine Finanzierung bei Swiss Personalized Health Network (SPHN) und Personalized Health and Related Technologies (PHRT) zu beantragen. In unserem Team fehlt momentan noch jemand, der/die die Patient*innen vertritt.
Das aktuelle SwissPCPK-Team während eines online-Meetings am 20. Januar 2022 (von links oben nach rechts unten):
Klinische Studien mit neuen Medikamenten haben unter anderem zum Ziel, die optimale Dosis und das optimale Dosierungsintervall (Zeit zwischen zwei Dosierungen, zusammen das Dosierungsschema) zu finden. Das übergeornete Ziel ist es, die gewünschten positiven Effekte des Medikaments zu habenda, die unerwünschten Nebenwirkungen dabei aber möglichst zu vermeiden. In den meisten Fällen werden solche klinische Studien nur mit Erwachsenen durchgeführt. In der Vergangenheit waren Einträge in den Medikamenten-Beipackzetteln wie «... ist für Kinder unter 12 Jahren nicht empfohlen» normal. Aber natürlich brauchen Kinder auch Medikamente und Medikamente werden bei Kindern auch eingesetzt. Das Finden des korrekten Dosierungsschemas wird dabei den einzelnen behandelnden Ärzt*innen oder aber nationalen Gremien von Expert*innen wie SwissPedDose (link) überlassen. Die grosse Frage ist, worauf sollten sie ihre Dosierungsfindung bzw. -empfehlungen stützen? Bisher musste man hier auf die Erfahrungen, die Ärzt*innen und Kinder machten, zählen. Seit einigen Jahren verlangen die Arzneimittelbehörden nun auch Dosierungsangaben für Kinder in den Beipackzetteln von Medikamenten. Diese Dosierungsangaben dürfen jedoch über mathematische Modelle berechnet werden. Die so berechneten Dosierungsschemas beruhen auf den klinischen Studien mit Erwachsenen. Es sind also Schätzungen.
In den Kinderspitälern werden häufig bei Medikamenten, bei denen das therapeutische Fenster (link) eng ist, also die toxische Konzentration nicht viel höher als die tiefste noch therapeutisch wirksame Konzentration liegt, die Medikamenten-Konzentrationen im Blutplasma gemessen (Plasmaspiegel). Figur 1 zeigt zwei Beispiele, wie Plasmaspiegel während einer Therapie typischerweise verlaufen. Tatsächlich gemessen wird dabei natürlich nur zu wenigen, ausgewählten Zeitpunkten, um den Aufwand für Patient*innen und Personal im angemessenen Rahmen zu halten. In Figur 1A soll die Plasmakonzentration möglichst hoch schiessen aber nicht über die rote Linie hinaus. In Figur 1B sollen alle Plasmakonzentrationen mit der Zeit zwischen die zwei roten Linien kommen, damit die Wirkung optimal ist. In beiden Fällen war das Dosierungsschema also von Beginn weg richtig gewählt. Mit der Hilfe der gemessenen Plasmaspiegel wird also überprüft, ob das verwendete Dosierungsschema zum gewünschten Konzentrationsverlauf führt. Falls dies nicht der Fall ist, kann somit das Dosierungsschema entsprechend angepasst werden - aber halt nur gerade für diese*n einzelne*n Patient*in.
Figur 1. Zwei Beispiele von Plasmaspiegel-Kurven bei wiederholten Dosierungen. A) Kurze Infusionen alle 24 Stunden (Dosierungsintervall), der Arzneistoff wird im Vergleich zum Dosierungsintervall schnell eliminiert. B) Tabletten-Einnahme eines anderen Arzneistoffes alle 8 Stunden. Hier wird der Arzneistoff im Vergleich zum Dosierungsintervall langsam eliminiert, was dazu führt, dass er kumuliert. Diese Kumulation hat den Vorteil, dass seine Plasmaspiegel weniger schwanken sobald aufkumuliert ist. Rote Linie in A und obere rote Linie in B: Plasmaspiegel über dieser Limite sind toxisch und bewirken unerwünschte Nebenwirkungen. Plasmaspiegel unter der unteren roten Linie in B: Unter dieser Konzentration ist der Arzneistoff nicht mehr wirksam. Es handelt sich um simulierte Daten.
Wie wäre es, wenn man diese Informationen nutzt, um darauf Dosierungsempfehlungen zu stützen? Wäre das möglich?
Wie oben beschrieben werden in den Kinderspitälern bereits im Alltag Plasmaspiegel gemessen. Diese Messwerte schlummern danach im Datensystem des jeweiligen Spitals vor sich hin. Eigentlich sind diese Messwerte aber von unendlichem Wert. Wenn man sie zusammenträgt, zusammen mit den Eigenschaften ihrer zugehörigen Patient*innen (z.B. Körpergewicht, Alter, Krankheit, genetische Informationen, Angaben zu weiteren Medikamenten, Angaben zu Diagnose) erlauben sie viel genauere Dosierungsschemas für zukünftige Patient*innen vorauszusagen. Denn anhand dieser noch schlummernden Daten kann man untersuchen, welche Patienten-Eigenschaften welchen Einfluss auf die resultierenden Plasmaspiegel eines Medikaments haben. Und umgekehrt, kann man mit den Informationen gezielt das optimale Dosierungsschema für jede*n individuelle*n Patient*in berechnen.
Genau dieser Idee folgten wir, als wir 2017 mit unserem Forschungsprojekt SwissPKcdw (Swiss PharmacoKinetics clinical data warehouse, link) starteten. Im SwissPKcdw Projekt konnten wir viele Grundlagen für das Sammeln und die sichere Aufbewahrung der Daten etablieren. Nun wollen wir das Projekt weiterentwickeln und ausbauen im Projekt SwissPCPK, von dem wir hier berichten. SwissPKcdw wurde von Mitte 2019 bis Ende 2020, und wir hoffen SwissPCPK wird in der Zukunft vom Bund (Swiss Personalized Health Network, SPHN (link) / Personalized Health and Related Technologies, PHRT (link)) finanziert. Die kleinen Patient*innen und Sie als Ihre Vertretung können bei diesem Projekt mitmachen und so an unserem Vorhaben mit dem Ziel, Medikamententherapien für Kinder zu optimieren, teilnehmen.
Wir beschreiben hier, wie Sie beziehungsweise das Kind, das Sie vertreten, an unserem Projekt teilnehmen können.
Aktive Mitgestaltung des Projektes und der wissenschaftlichen Fragestellungen
Es ist uns ein Anliegen Patient*innen bzw. bei den Kindern deren gesetzliche Vertretung in die Gestaltung unseres Projektes und der wissenschaftlichen Fragestellungen miteinzubeziehen. Als Ärzt*innen und Wissenschaftler*innen haben wir gewisse Vorstellungen, was für die Kinder gut ist. Wir kennen aber oft die Sichtweise der Betroffenen und ihres direkten Umfelds nicht. Bitte melden Sie sich bei uns, falls Sie gerne aktiv an unserem Projekt teilnehmen wollen (mail). Möglichkeiten sind die Teilnahme in unserer SwissPCPK Patient*innen Fokus-Gruppe (s. weiter unten) zum regelmässigen Austausch zwischen allen Partien. Oder als Vertreter*in der Fokus-Gruppe im SwissPCPK Governance Board (link) oder im Data Access Committee for Data Re-Use (link). Die Hauptakteure sind natürlich die Kinder, die an unseren Studien teilnehmen. Möglichkeiten sind in den folgenden Abschnitten beschrieben.
Aktiver Beitrag mit Daten von nicht-medikamentös behandelten Kindern
Falls Ihrem Kind für eine Kontrolle oder Untersuchung im Kinderspital eine Blut- oder Urinprobe abgenommen wird, könnte das, was von den Proben übrig bleibt (nach allen im Rahmen der Kontrolle oder Untersuchung gemachten Tests), sehr viel zu unserem Vorhaben beitragen. Für diese Studie sollten wir Proben von gesunden Kindern ohne Medikamente haben. Falls Sie zusagen, dass wir die übriggebliebenen Blut- und Urinproben Ihres Kindes für unsere Forschung verwenden dürfen, analysieren wir darin einerseits das Genom (Erbgut) und andererseits hunderte von körpereigenen Substanzen (z.B. Zuckerspiegel, Harnsäurespiegel). Bei der Untersuchung des Genoms suchen wir speziell nach genetischen Polymorphismen (genetische Varianten, die in der Bevölkerung häufig vorkommen), von denen wir (für die Erwachsenen) wissen, dass sie einen Einfluss auf die Plasmaspiegel gewisser Medikamente haben. Hintergrundinformationen dazu finden Sie in den Abschnitten weiter unten Von Genen, Enzymen und Transportproteinen, Wie unser Körper Arzneistoffe eliminiert und Warum es nicht einfach ist, die korrekte Kinderdosierung zu finden. Eine genetische Variation mit Einfluss auf die Plasmaspiegel von Medikamenten wird mit grosser Wahrscheinlichkeit auch einen Einluss auf die Plasmakonzentration einer oder mehrerer endogenen Substanz haben. Genau diese Zusammenhänge wollen wir in diesem Projekt bei Kindern erkennen. Die Messung einer solchen genetisch beeinflussten endogenen Substanz würde dann erlauben, indirekt auf den genetischen Polymorphismus zu schliessen und das Dosierungsschema bereits vor Beginn der Medikamententherapie entsprechend anzupassen. Man könnte natürlich dafür auch die Gene analysieren (das wird zum Teil auch gemacht), dies ist jedoch sehr aufwändig.
Bei unserer Idee gilt, je grösser die Gruppe an gesunden Kindern ist, die an diesem Projekt teilnehmen, desto grösser ist die Wahrscheinlichkeit, dass wir herausfinden, welche körpereigenen Substanzen bei welchen Polymorphismen veränderte Konzentrationen aufweisen im Vergleich zu allen anderen Kindern im selben Alter. Wenn wir solche endogenen Substanzen identifiziert haben, werden wir entsprechende Labor-Analysemethoden entwickeln, damit man sie im Spitalalltag einfach messen kann.
Diese Daten von gesunden Kindern, also der Vergleich von Konzentrationen endogener Substanzen und Genom, werden es anderen Projekten auch erlauben, Konzentrationen der endogenen Substanzen und Gen-Daten bei bestimmten Erkrankungen damit zu vergleichen. Das Ziel solcher Vergleiche ist es, mehr Erkenntnisse über bestimmte Krankheiten zu gewinnen und endogene Substanzen zu finden, deren Messung Aufschluss über das Vorhandensein und den Verlauf einer Erkrankung geben können. Wer die Daten für weitere Forschungsporjekte nutzen darf, ist sehr streng geregelt (s. unter Risiken und Datenschutz).
Aktiver Beitrag mit Daten von Ihrem medikamentös behandelten Kind
Falls Ihr Kind (oder das Kind, das Sie rechtlich vertreten) Medikamente benötigt, können die/der kleine Patient*in und Sie zu unseren Projekten beitragen, indem Sie einwilligen, dass wir die Patientendaten, inklusive der im Spital gemessenen Medikamenten-Plasmaspiegel, für unsere Analysen verwenden dürfen. Zudem müssten Sie Ihre Einwilligung geben, dass wir bei den Routinemessungen übrig gebliebenes Probenmaterial (Blut, Urin) verwenden dürfen, um abzuklären, ob gewisse genetische Varianten, vorliegen. Wir konzentrieren uns auf Varianten, die einen Einfluss auf die Arzneistoff-Plasmaspiegel haben könnten. Das Ziel ist, die Parameter und genetischen Varianten zu identifizieren, die den grössten Einfluss auf die Arzneistoff-Plasmaspiegel haben. Und dann daraus wie zu Beginn beschrieben die Berechnungsgrundlagen für individuelle Dosierungsschemas zu erarbeiten.
Wir würden gerne in den Blutproben auch untersuchen, ob wir tatsächlich eventuelle genetische Varianten über die im Projekt mit den gesunden Kindern gefundenen körpereigenen Indikatoren voraussagen könnten. Im Gegensatz zu der Studie mit den gesunden Kindern untersuchen wir von den Blutproben in dieser Studie nur ganz gezielt die Gene, von denen Polymorphismen mit Einfluss auf das Verhalten der gegebenen Medikamente bei den Erwachsenen bekannt sind oder von denen wir aufgrund des aktuellen Wissensstand vermuten, dass sie einen Einfluss haben könnten. Das sind weniger als 20 Gene insgesamt. Auch für diese Projekte gelten sehr strikte Datenschutz-Richtlinien. Sie sind unter Risiken und Datenschutz weitern unten beschrieben.
Wie Ihr Kind und Sie an einer Studie teilnehmen und wo Sie die Resultate der Studie finden
Um an einer dieser Studien teilzunehmen, müssen Sie im Namen des Kindes das Consent (Einwilligungs-) Formular ausfüllen und unterschreiben. Sie werden dazu jeweils von den behandelnden Ärzt*innen angefragt. Sie erklären Ihnen weitere Details zur jeweiligen Studie und beantworten Ihre Fragen. Die Resultate unserer Studien publizieren wir und schreiben auf unserer Webseite Zusammenfassungen dazu, Sie finden sie unter Was wir bisher erreicht haben (link). Allerdings dauert es jeweils mehrere Monate bis Jahre bis wir zunächst genug Teilnehmende haben, die Proben analysiert haben, die Daten gerechnet haben, die Publikationen geschrieben haben, die Publikationen begutachtet worden sind und in einer Fachzeitschrift zur Publikation angenommen werden. Alle unsere Forschungsresultate werden natürlich nicht nur den im Konsortium beteiligten Spitälern zur Verfügung stehen. Da wir unsere Resultate regelmässig publizieren und an Kongressen präsentieren, stehen unsere Resultate allen Spitälern und Gesundheitssystemen weltweit zur Verfügung.
Von Genen, Enzymen und Transportproteinen
Die Gene (link) unseres Erbguts (Genom, link) sind der Bauplan für unsere Proteine (Eiweisse, link). Jedes unserer Proteine hat eine bestimmte Funktion. Zum Beispiel, dass die Muskelfasern sich zusammenziehen können oder dass wir Zucker in den Zellen speichern können und später daraus Energie gewinnen können. Viele unserer Proteine sind sogenannte Enzyme (link). Diese erleichtern eine ganz bestimmte chemische Reaktion. Ein Beispiel ist die Hexokinase (link), das erste Enzym in der Gewinnung von Energie aus Glucose (Traubenzucker, Dextrose). Eigentlich sind die Enzyme da, um körpereigene Substanzen umzuwandeln. Manche Enzyme bauen aber auch Fremdstoffe im Körper um. So entstehen dank der Alkohol-Dehydrogenase und Aldehyd-Dehydrogenase aus Ethanol (Alkohol im Wein) Acetaldehyd und daraus Essigsäure. Oft sind die umgewandelten Fremdstoffe danach besser ausscheidbar über den Urin oder Stuhl. Es sind ein paar hundert dieser Enzyme, die neben körpereigenen auch Fremdstoffe, darunter Arzneistoffe, chemisch umwandeln können.
Ganz ähnlich verhält es sich mit Transportproteinen (link). Auch hier zwei Beispiele: Glucose wird über bestimmte Transportproteine in die Zellen aufgenommen. Bilirubin, der gelbe Blutfarbstoff, wird durch Transportproteine in der Leber in die Gallenflüssigkeit transportiert. Und auch hier gilt: Einige Transportproteine transportieren auch bestimmte Arzneistoffe, zum Beispiel in die Gallenflüssigkeit, mit der zusammen sie dann in den Darm kommen und über den Stuhl ausgeschieden werden. Die typischen Wege, wie Arzneistoffe aus unserem Körper eliminiert werden sind unter Wie unser Körper Arzneistoffe eliminiert (link) genauer beschrieben.
Wie erwähnt, jede bestimmte Art von Enzym, Transporter oder anderem Protein, wird von einem ganz bestimmten Gen codiert. Wir haben etwa 22'000 verschiedene codierende Gene in uns, in jeder Zelle. Wenn wir unsere Gene zwischen zwei Personen vergleichen, finden wir sehr viele kleine Unterschiede – wir sind ja nicht alle gleich wie Zwillinge. So gibt es auch viele kleine oder grössere Unterschiede bei den Arzneistoff-umwandelnden Enzymen und -transportierenden Transportproteinen. Wenn ein solcher Unterschied in einem Gen bei mindestens 1 % einer Bevölkerung vorkommt, spricht man von Polymorphismus (link). Es kommt also vor, dass eine bestimmte Anzahl Personen in einer Bevölkerung einen bestimmten Arzneistoff zum Beispiel langsamer abbaut als alle anderen Personen, weil bei ihnen eben eine solche kleine Änderung im betreffenden Gen vorliegt und das codierte Protein dann etwas anders arbeitet als beim Rest der Bevölkerung. Man kann im Labor untersuchen, ob bei einer Person möglicherweise ein bestimmter Polymorphismus vorliegt, der einen Einfluss hätte auf den Abbau (oder Transport) des zu verabreichenden Arzneistoffs. Das ist aber zu aufwändig (und teuer) für den Spitalalltag. Figur 2 zeigt, wie sich die Plasmaspiegel zwischen zwei Personen unterscheiden könnten von denen die eine einen Polymorphismus mit Einfluss auf die Elimination des Arzneistoffs hat.
Figur 2. Vergleich von möglichen (simulierten) Plasmaspiegeln zweier Personen, von denen die eine im Gen, das das Enzym codiert, welches den Arzneistoff inaktiviert (eliminiert), einen Polymorphismus mit Einfluss auf die Enzymaktivität hat. Bei der roten Kurve ist die Elimination langsamer als bei der schwarzen, deshalb ist die Plasmakonzentration höher.
Seit einiger Zeit sucht man deshalb nach Möglichkeiten, einen solchen Polymorphismus auch an den Konzentrationen von körpereigenen Substanzen zu erkennen. Ein bestimmter Polymorphismus hat ja auch einen Einfluss auf den Abbau der entsprechenden körpereigenen Substrate (link). Weil bei Kindern noch nicht dieselben Enzyme und Transporter im selben Verhältnis wie bei den Erwachsenen vorhanden sind (Warum es nicht einfach ist, die korrekte Kinderdosierung zu finden, link), kann man jedoch auch in diesem Punkt nicht einfach von Erwachsenen auf Kinder schliessen. Genau hier kommt ein sehr wichtiges unserer SwissPCPK-Projekte ins Spiel: Unser Ziel ist es, von ein paar hundert gesunden Kindern, die keine Medikamente erhalten, die genetischen Informationen zu Arzneistoff-umwandelnden Enzymen und -transportierenden Proteinen zu bestimmen und parallel dazu die Konzentration von hunderten körpereigenen Substanzen zu messen. Im Idealfall erlaubt uns dies, Konzentrationsmuster von körpereigenen Substanzen zu erkennen, die nur bei bestimmten Polymorphismen auftreten. Wir wollen dann Labor-Methoden entwickeln, um genau diese körpereigenen Substanzen im Klinikalltag zu bestimmen, bevor man mit der Arzneistofftherapie beginnt. Die Dosierung soll dann nämlich mit dieser Information für das einzelne Kind angepasst werden. Übrigens wird heute das körpereigene Kreatinin (link) so verwendet, um die Funktion der Niere für die Ausscheidung von Arzneistoffen abzuschätzen und die Dosierungsschemas anzupassen.
Soweit zu unseren eigenen Zielen. Wir würden gerne noch mehr aus diesen Proben herausholen, denn es ist sehr aufwändig, eine solche Studie durchzuführen. Bei einigen Forschungsprojekten zu Kinderkrankheiten, von denen die Ursachen nicht bekannt sind, wird nach möglichen Veränderungen in den Genen gesucht. Es wird also untersucht, ob bestimmte Mutationen (link) gehäuft vorkommen bei den erkrankten Kindern. Dazu brauchen diese Forschungsprojekte Vergleichs-Daten von gesunden Kindern. Und genau dazu könnte die Genanalyse, die wir planen, auch dienen. Wir würden also nicht nur die Gene analysieren, die für Arzneistoff-Abbau oder -Transport wichtig sind, sondern möglichst alle etwa 22'000 Gene. So erkennt man, wie häufig eine bestimmte Veränderung in einer gesunden Kindergruppe vorkommt und kann das vergleichen mit der Häufigkeit bei Kindern mit einer bestimmten Erkrankung. Dies könnte Aufschluss geben über die Ursachen bestimmter Krankheiten und dazu beitragen, neue Therapien und Medikamente dagegen zu entwickeln. Genau wie bei allen Daten in unseren Projekten, sind auch bei den Gen-Daten keine Namen oder Geburtsdaten der Kinder dabei. Auf die Risiken bezüglich Datenschutz gehen wir unter Datenschutz und Risiken ein (link).
Wie unser Körper Arzneistoffe eliminiert
Unser Körper eliminiert Arzneistoffe hauptsächlich über drei Wege. Diese sind in der Figur 3 schematisch gezeigt. Der Begriff «eliminieren» beinhaltet dabei sowohl die chemische Umwandlung zu idealerweise inaktiven Substanzen (Arzneistoff-Metaboliten) als auch die direkte Ausscheidung des Arzneistoffs ohne chemische Umwandlung über den Urin oder die Galle. Die Arzneistoff-Metaboliten können auch weiter chemisch umgewandelt werden bis sie ebenfalls über den Urin oder die Galle ausgeschieden werden können. Die chemische Umwandlung wird vor allem in der Leber von Enzymen ermöglicht. Für den Transport in die Galle sind Transportproteine in der Leber verantwortlich. Die Ausscheidung in den Urin passiert durch Filtration des Blutplasmas in der Niere. Das stark aufkonzentrierte Filtrat wird als Urin ausgeschieden. So werden Arzneistoffe und Arzneistoff-Metaboliten ausgeschieden, die gut wasserlöslich sind. In der Niere können Arzneistoffe auch über Transportproteine zusätzlich in das aufkonzentrierte Filtrat transportiert werden. Mehr zu Enzymen und Transportproteinen ist unter Von Genen, Enzymen und Transportproteinen (link) beschrieben. Bei regelmässiger Einnahme oder Verabreichung eines Arzneistoffes bevor er vollständig eliminiert ist kann dieser zwar kumulieren, wie in der Figur 1B gezeigt. Da er aber gleichzeitig auch eliminiert wird, erreicht er irgendwann ein sogenanntes Fliessgleichgewicht im Körper, das heisst, er pendelt sich bei einem bestimmten Plasmaspiegel ein (wie in Figur 1B). Wenn jetzt aber genau das Enzym, das ihn inaktiviert, oder genau das Transportprotein, das ihn zum Beispiel in die Galle transportiert, weniger aktiv ist bei einer Person, dann sind diese Plasmaspiegel im Vergleich zu anderen erhöht. Solche Unterschiede in der Aktivität von Enzymen oder Transportproteinen können auch einen Einfluss auf die sogenannte Bioverfügbarkeit des Arzneistoffs nach Einnahme einer Tablette haben. Alles, was vom Darm absorbiert wird, muss nämlich zuerst durch die Leber und da kann ein Teil der Dosis bereits wieder eliminiert werden. Wenn die Enzyme oder Transportproteine eine reduzierte Aktivität haben, ist entsprechend der bioverfügbare Anteil der Dosis höher. Solche Unterschiede in den Aktivitäten von Enzymen oder Transportproteinen können verschiedene Ursachen haben. Die wichtigsten in der Arzneistofftherapie sind genetische Unterschiede (siehe Von Genen, Enzymen und Transportproteinen, link) oder wenn zwei Arzneistoffe vom selben Enzym oder Transportprotein erkannt werden sollen und einander dabei behindern (Arzneistoff-Interaktionen). Weitere Informationen finden Sie auch im Vortrag "Pillen: Vorsicht Nebenwirkung!" vom 28. März 2021 im Rahmen von ETH Treffpunkt Science City (link).
Figur 3. Im Teddybär sind Leber, Nieren, Urinblase und Darm an ihren ungefähren Orten in unserem Körper eingezeichnet. Der obere Kreis rechts vom Bär zeigt Arzneistoffe (hellgrün), welche in der Leber (dunkelgrün) durch Enzyme (rote angeschnittene Kuchen) in einen Arzneistoff-Metaboliten (gelb) umgewandelt werden. Ein Teil der Metaboliten kann im Beispiel zurück ins Blut transportiert werden (roter Pfeil, Transportprotein), ein anderer Teil könnte über Transportproteine in die Galle transportiert werden, mit der Galle in den Darm fliessen und von da über den Stuhl ausgeschieden werden. Die Metaboliten von manchen Arzneistoffen sind nicht wirksam, bei einigen sind sie ähnlich wirksam wie der Arzneistoff selber, bei manchen sogar besser wirksam als der Arzneistoff selber und bei wenigen Arzneistoffen können sie zu unerwünschten Nebenwirkungen führen. Hat der Arzneistoff-Metabolit also eine erwünschte oder unerwünschte Wirkung sind nicht nur die Plasmaspiegel des Arzneistoffs von Interesse, sondern auch die seines/seiner Metaboliten. Unterschiede in den Enzymen und Transportproteinen können einen Einfluss auf die Plasmaspiegel von Arzneistoff und Metabolit haben. Im unteren Kreis ist die Niere angedeutet. Wasserlösliche Arzneistoffe und Arzneistoff-Metaboliten können über die Nieren in den Urin geraten und mit dem Urin ausgeschieden werden. Auch hier können Transportproteine eine Rolle spielen, indem sie die Ausscheidung über die Nieren beschleunigen. Die Grössenverhältnisse sind natürlich nicht richtig. Enzyme und Transportproteine sind in der Realität so klein, dass man sie nicht einmal in einem normalen Lichtmikroskop sehen kann. Arzneistoffe und ihre Metaboliten sind noch kleiner.
Warum es nicht einfach ist, die korrekte Kinderdosierung zu finden
Eigentlich ist es noch komplexer als der Titel fragt. DIE Kinderdosierung gibt es gar nicht, jedes Kind braucht eigentlich eine individuelle Dosierung. Hier erklären wir kurz, weshalb das so ist und weshalb man für viele Medikamente nicht einfach pro Kilogramm Körpergewicht oder nach Alter dosieren kann. Im Abschnitt Wie unser Körper Arzneistoffe eliminiert (link) haben wir erklärt, wie Medikamente eliminiert werden und welche Rollen dabei Enzymen und Transportproteinen zukommen. Und im Abschnitt Von Genen, Enzymen und Transportproteinen (link) haben wir gezeigt, dass es dabei Unterschiede gibt zwischen verschiedenen Personen. Jetzt kommt erschwerend dazu, dass viele Gene, die wichtig sind für die Elimination von Arzneistoffen, zwischen Beginn des Lebens und bis zum Alter von etwa 12 Jahren erst so richtig Fahrt aufnehmen. Andere «verstummen» über die ersten Monate nach der Geburt. Das Resultat ist, dass die Geschwindigkeit, mit dem ein Arzneistoff eliminiert wird, sich stark verändert zwischen Geburt und Jugend. Zudem kann für manche Arzneistoffe die Körperzusammensetzung eine grosse Rolle spielen. Der Fettgehalt verändert sich ebenfalls von Geburt zum Jugendalter und auch weitere anatomische und physiologische Veränderungen finden statt, die einen Einfluss haben. Vergleicht man verschiedene Kinder, laufen all diese Prozesse nicht genau gleich schnell ab. Die Dosierungsschemas für Kinder sind deshalb schwierig festzulegen und folgen nicht einfach dem Körpergewicht oder Alter.
Aufbau einer sicheren Plattform für Daten und Berechnungen
Über die letzten Jahre wurde in der Schweiz ein gut abgesichertes Datennetzwerk, das BioMedIT Netz (link) für vertrauliche Patientendaten erstellt. Es besteht aus drei hochsicheren Kompetenzplattformen, je eine in Basel, Lausanne und Zürich. Das Ziel ist, dass die Daten von Patient*innen, die eine Einwilligungs-Erklärung (Consent) unterschrieben haben, in dieses Datennetzwerk gespiesen werden können. Natürlich geschieht dies über hochsichere Verbindungen und die Daten werden dazu verschlüsselt. Zudem sind keine Patienten-Namen oder Geburtstage dabei, die Daten sind pseudo-anonymisiert (codiert). Das BioMedIT Netzwerk ermöglicht so Schweiz-weit den sicheren Austausch und die sichere Forschung mit biomedizinischen Daten. In unserem Projekt SwissPKcdw haben wir innerhalb des BioMedIT Netzwerks die SwissPKcdw Plattform aufgebaut. Daten von Patient*innen der Kinderspitäler Basel und Zürich wurden mit Einwilligung der legalen Vertreter*innen (i.A. der Eltern) auf unsere Plattform transferiert und innerhalb des sicheren Datennetzwerks analysiert. Unsere SwissPKcdw Plattform haben wir in der unten angegebenen Publikation beschrieben. Im Moment haben wir für zwei Medikamente genügend Daten für umfangreiche Analysen. Diese sind in den nächsten Abschnitten kurz beschrieben. Publikation mit Kontakten: Roland Goers, Diana Coman Schmid, Vera F. Jäggi, Paolo Paioni, Michal J. Okoniewski, Althea Parker, Beat Bangerter, Sofia Georgakopoulou, Thierry Sengstag, Julia Bielicki, Romy Tilen, Swen Vermeul, Stefanie D. Krämer, Christoph Berger, Bernd Rinn, Henriette E. Meyer zu Schwabedissen. SwissPKcdw – A clinical data warehouse for the optimization of pediatric dosing regimens. CPT Pharmacometrics & Systems Pharmacology 2021;10:1578–1587; https://doi.org/10.1002/psp4.12723
Dosierung von Gentamicin
In diesem SwissPKcdw-Teilprojekt haben wir untersucht, ob die angewandten Dosierungsschemas für das Antibiotikum Gentamicin zu den gewünschten Plasmaspiegeln führten und über welche Patienten-Eigenschaften sich die Plasmaspiegel und damit die optimalen Dosierungsschemas am besten voraussagen lassen. Wir haben dazu die Plasmaspiegel verwendet, die normalerweise im Spital-Alltag bestimmt werden. Zusätzlich haben wir pro teilnehmende Patient*in (mit Einwilligung) noch zwei weitere Blutproben genommen. Nur dank diesen zusätzlichen Blutproben konnten wir die Analysen auch wie gewünscht durchführen. Wir fanden, dass die von den Kinderärzt*innen verwendeten Dosierungsschemas bei den allermeisten Patient*innen zu den gewünschten Plasmaspiegeln führten, nicht zu hoch und nicht zu tief. Wir konnten ausserdem zeigen, wie man die Dosierungen für bestimmte weitere gewünschte Plasmaspiegel am besten berechnen kann. Unsere Resultate haben wir in der unten aufgeführten Publikation beschrieben. Publikation mit Kontakten: Paolo Paioni, Vera F. Jäggi, Romy Tilen, Michelle Seiler, Philipp Baumann, Dominic S. Bräm, Carole Jetzer, Robin T. U. Haid, Aljoscha N. Goetschi, Roland Goers, Daniel Müller, Diana Coman Schmid, Henriette E. Meyer zu Schwabedissen, Bernd Rinn, Christoph Berger and Stefanie D. Krämer. Gentamicin population pharmacokinetics in pediatric patients—A prospective study with data analysis using the saemix package in R. Pharmaceutics 2021; 13: 1596; https://doi.org/10.3390/pharmaceutics13101596
Ziel und Zusammensetzung der Fokus-Gruppe
Die SwissPCPK Patient*innen Fokus-Gruppe setzt sich aus aktuellen oder ehemaligen Patient*innen unserer Teil-Projekte bzw. deren gesetzlichen Vertretung (oft die Eltern) und Familien zusammen. Die Teilnahme in der Fokus-Gruppe ist freiwillig und ist nicht mit Verpflichtungen verbunden. Die Fokus-Gruppe stellt die Vertreter*innen (je eine Person) für das SwissPCPK Governance Board (link) und das Data Access Committee for Data Re-Use (link). Die Fokus-Gruppe trifft sich zweimal jährlich mit dem SwissPCPK Konsortium zum Austausch, dies kann online geschehen und/oder physisch. Dabei werden die Fortschritte der Teil-Projekte vorgestellt, Aktivitäten der Fokus-Gruppe vorgestellt und Anliegen der Fokus-Gruppe und des Konsortiums besprochen. Die Vertreter*innen in den zwei SwissPCPK Organen nehmen zudem regelmässig an den Treffen (online und/oder physisch) des entsprechenden Organs teil. Die Fokus-Gruppe wählt jährlich (auf den 1. Juni) ihren eigenen Vorstand und die Anzahl Vorstands-Mitglieder. Falls die Fokus-Gruppe den Vorstand nicht selber wählen will/kann, wird der Vorstand in Absprache mit der Fokus-Gruppe durch das Konsortium gewählt.
Vorstand der SwissPCPK Patient*innen Fokus-Gruppe: NN
In unserer Forschung folgen wir strikt der schweizerischen Humanforschungsgesetzgesetzgebung (link), den Vorgaben von Swissethics (link) und den Vorgaben des Schweizerischen Personalized Health Netzwerks (SPHN, link).
Weitere Projekt-bezogene Details folgen hier demnächst.
Uns motiviert es, dass Patient*innen mit den Eltern/Familien in die Planung von klinischer Forschung miteinbezogen werden sollen. Das Patients and Public Involvement ist ein wichtiger Pfeiler der National Data Streams Projekte. Wir freuen uns sehr auf die Interaktionen und sind neugierig, was sich ergeben wird. Auf unserer Webseite versuchen wir das Projekt den Patient*innen und Familien näher zu bringen. Wir würden gerne erfahren, wie das ankommt. Und ganz generell sind wir gespannt, was wir von den Patient*innen und ihren Familien lernen können. Wir möchten Sie gerne ermuntern, unsere Fragebögen auszufüllen. Sie können das mit oder ohne Angabe Ihres Namens tun. Vielen Dank. Und wir freuen uns natürlich über jede involvierte Person, die unserer Patient*innen Fokusgruppe beitritt, um mit uns regelmässig im Austausch zu sein (Möglichkeit im Fragebogen Interesse anzumelden).
Sie finden hier drei Fragebögen:
Figur 1. Resultat der Umfrage, zu der hauptsächlich beim Impfen (COVID-19) eingeladen wurde (Stand 27. Feb. 2022).
Figur 2. Resultat der Umfrage, zu der Eltern von Kindern, die an unserer Gentamicin-Studie (Link) teilgenommen haben, eingeladen wurden (Stand 25. März 2022). Aktueller Stand der Rückmeldungen von 75 Brief-Anfragen, die ihre Adresse erreicht haben.